Die üble Nachrede
Ein Nachbar hatte über Künzelmann schlecht geredet und die
Gerüchte waren bis zu Künzelmann selbst gekommen.
Künzelmann stellte den Nachbarn zur Rede.
"Ich werde es bestimmt nicht wieder tun", versprach der Nachbar,
"ich nehme alles zurück, was ich über sie erzählt habe."
Künzelmann sah den anderen ernst an: "Ich habe keinen Grund, Ihnen
nicht zu verzeihen." erwiderte er. "Jedoch verlangt jede böse Tat
ihre Sühne."
"Ich bin gerne zu allem bereit." sagte der Nachbar zerknirscht.
Künzelmann erhob sich, ging in sein Schlafzimmer und kam mit einem
großen Kopfkissen zurück. "Tragen sie dieses Kissen in ihr Haus,
das hundert Schritte von meinem entfernt steht." sagte er. "Dann
schneiden sie ein Loch in das Kissen und kommen wieder zurück,
indem sie unterwegs immer eine Feder nach rechts, eine Feder nach
links werfen. Dies ist der Sühne erster Teil."
Der Nachbar tat, wie ihm geheißen.
Als er wieder vor Künzelmann stand und ihm die leere Kissenhülle
überreichte, fragte er: "Und der zweite Teil meiner Buße?"
"Gehen sie jetzt wieder den Weg zu ihrem Haus zurück und sammeln
sie alle Federn wieder ein."
Der Nachbar stammelte verwirrt: "Ich kann doch unmöglich all die
Federn wieder einsammeln! Ich streute sie wahllos aus, warf eine
hierhin und eine dorthin. Inzwischen hat der Wind sie in alle
Himmelsrichtungen fort getragen. Wie könnte ich sie alle wieder
einfangen?"
Künzelmann nickte ernst: "Das wollte ich hören! Genau so ist es
mit der üblen Nachrede und den Verleumdungen. Einmal ausgestreut,
laufen sie durch alle Winde; wir wissen nicht, wohin. Wie kann man
sie also einfach wieder zurücknehmen?"
( Verfasser unbekannt )